Haushaltsrede 2016 der SPD-Fraktion - Werner Hermann
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Augustin, sehr geehrte
Mitbürgerinnen und Mitbürger, verehrte Kolleginnen und Kollegen des
Gemeinderates, lieber Hans Franzen, werte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der
Gemeindeverwaltung, verehrte Vertreter der Presse:
Lassen
Sie mich vorweg meiner Bestürzung und Betroffenheit über den Ausgang der
Landtagswahl vor nunmehr 6 Wochen Ausdruck verleihen: Beide Volksparteien regelrecht abgestraft,
18,27 Prozent in Durmersheim und Würmersheim für die AfD; das ist ein schwerer
Grund zur Sorge für alle demokratischen Parteien.
Waren
deren Wähler wirklich alle nur Protestwähler? Oder steigt hier neuerlich etwas
aus dem braunen Sumpf auf?
Lassen
Sie mich das Thema mit einem Zitat
abschließen;
Theodor
Adorno schreibt: "Ich fürchte mich nicht vor der Rückkehr der Faschisten in der
Maske der Faschisten, sondern vor der Rückkehr der Faschisten in der Maske der
Demokraten.
Wehren
wir also gemeinsam der Rückkehr der Faschisten in ihrer demokratischen
Verkleidung.
Ich
hatte nun schon oft das Vergnügen, eine Haushaltsrede zu halten, aber so
schwierig wie dieses Jahr war es noch nie: Der Haushaltsplan versteht sich nur
als "Plan", also nur in etwa eine Abbildung der kommenden Realitäten. Die
Abweichungen des Haushaltsvollzugs - wir sehen das ja jedes Jahr bei der
Vorstellung der Rechenschaftsberichte durch den Kämmerer - sind teilweise ja
enorm; das Geschick unseres Kämmerer wollte es in der Vergangenheit, dass sich diese teilweise schwindelerregenden
Abweichungen immer zum Positiven entwickelt hatten.
Aber
2016: Die Haushaltsplanzahlen werden sich wohl unvorhersehbar entwickeln,
nämlich so unvorhersehbar wie die Flüchtlingszahlen.
Halten
wir es mit den Rheinländern, die da sagen "Es hätt noch immer jot jejange"
oder mit der Kanzlerin, die da behauptet: Wir werden das schaffen.
Wir
haben - und dafür sei allen Beteiligten sehr gedankt - den vorliegenden
Haushalt 2016 in einer sehr offenen und konstruktiven Beratung vorbesprochen.
Lassen
Sie mich zunächst einige Worte zum Verwaltungshaushalt sagen:
Dieser
weist einen auf den ersten Blick beachtlichen Zuwachs von 5,33 Prozent
gegenüber dem Vorjahr aus.
Zuschüsse
bei den Schlüsselzuweisungen und den sonstigen Zuweisungen wirken positiv,
negativ aber die FAG-Umlage, die Kreisumlage und natürlich die im Wesentlichen
durch die Zahl der Flüchtlinge bedingten höheren Personalausgaben.
Lassen
Sie mich an dieser Stelle gleich sagen: Wir stehen zu diesen höheren Ausgaben
im Personalbereich, da wir jeden Euro, den wir hier in die Betreuung der
Flüchtlinge investieren, gut angelegt sehen. Und auch gleich hier ein Danke an
die Leute der Verwaltung, die sich mit dieser Frage beschäftigen, sei es Frau
Dürrschnabel, Herr Leupolz und Herr Lorch: Es wird hier eine vorbildliche
Arbeit geleistet!
Wir
haben hier im Rat gemeinsam intensiv den Verwaltungshaushalt durchgeprüft und - seien wir ehrlich -
niemand hat eine Lösung gefunden, diesen Haushalt so zu strukturieren, dass
eine deutliche Situationsverbesserung eintreten würde. Aus diesem schlichten
Grunde müssen wir nolens volens auch der Erhöhung der Grundsteuer- sowie der
Gewerbesteuerhebesätze zustimmen.
Nun
klingt das zwar auf den ersten Blick sehr unangenehm, allerdings ergibt sich
aus der gesamten Erhöhung der Grundsteuersätze ein Gesamtplus von gerade einmal
40.500,- €, bei der Gewerbesteuer errechnet sich ein Betrag von
voraussichtlich 50.000,- €. Wir brauchen diese Einnahmen einerseits, bitten
daher alle Betroffenen um Verständnis, sie sind aber in einer Gesamtbetrachtung
doch für die Grundeigentümer und Gewerbetreibenden in noch
erträglicher und zumutbarer Höhe. Und wir liegen mit unseren Sätzen ja immer
noch im Vergleichsrahmen umliegender Kommunen unserer Größenordnung.
An den
Gemeindeanteilen an der Einkommens- sowie der Umsatzsteuer lässt sich für uns
nichts bewegen, gleiches gilt für die wichtigen Schlüsselzuweisungen.
Die
Gebühren und sonstigen Abgaben sind in unserer Gemeinde relativ
bürgerfreundlich kalkuliert, dies soll nach unserer Auffassung insbesondere für
die Familien auch so bleiben.
Die
sonstigen Einnahmen entwickeln sich ordentlich und planmäßig.
Bei den
Ausgaben steigen die für Personal -
ich habe bereits auf die Ursachen hingewiesen - überproportional, der Grund
hierfür ist aber gut zu erklären.
Der
sächliche Verwaltungs- und Betriebsaufwand nimmt fast 10 Prozent des
Verwaltungshaushalts ein. Hier sind aber eine große Zahl von Einzelmaßnahmen
eingestellt, die aber nach Ablauf des Haushaltsjahres mangels entsprechender
Umsetzung im Haushaltsjahr ein Teil der Sparbüchse unseres Kämmerers sind, wie
wir es dann im Rechenschaftsbericht lernen werden. Aber sicher lieber in diese
wie in die umgekehrte Richtung.
Die
Zuschüsse für laufende Zwecke wie Pfarrzentrum, Büchereien, Jugendzentrum,
Vereine usw. werden von uns ebenfalls mitgetragen.
Die
Darlehenszinsen sind im Moment natürlich haushaltstechnisch ein Segen für die
Kommunen, bleibt zu hoffen, dass sich bis zur Umschuldung der Darlehen nicht
ein wesentlich ungünstigeres Zinsniveau einstellen wird.
Die
höheren Umlagen für den Finanzausgleich und die Kreisumlage belasten
systembedingt den Haushalt sehr stark, hängen aber unabweisbar an der hohen
Steuerkraft unserer Gemeinde im Jahr 2014 und lassen sich auch nicht durch uns
gestalten.
Wir
können nach den Haushaltsdaten knapp 1,2 Mio. € dem Vermögenshaushalt
zukommen lassen, also deutlich weniger als die 2,8 Mio. im Vorjahr.
Die Erwartungen
an die Leistungskraft der Gemeinde steigen stets, das Haushaltsvolumen leider
nicht gleichermaßen, die Erhöhung der Hebesätze ist damit sowohl in Hinblick
auf Einnahmen aus Ausgleichstöcken und in Hinblick auf das neue Haushaltsrecht
unvermeidlich.
Wir
speisen unseren Vermögenshaushalt, also den investiven Teil des Haushaltes mit
den genannten 1,2 Mio. €, müssen allerdings angesichts des erheblichen
Investitionsprogramms auch unsere Rücklagen mit ca. 2,5 Mio. € angreifen,
die sich dadurch natürlich erheblich reduzieren.
Erhebliche
Veräußerungserlöse müssen eingesetzt werden, ein massiver Brocken hier der
Verkauf unserer Beteiligung an der Gasversorgung Malsch/Durmersheim.
Die
bereits andiskutierten Möglichkeiten einer innerörtlichen Verdichtung (auf
gemeindeeigenen Flächen) werden derzeit
im Gemeinderat vorbesprochen, eine erste Stellungnahme der SPD-Fraktion liegt
hierzu vor. Haushaltswirksam werden diese Maßnahmen aber sicherlich nicht mehr
im Haushaltsjahr 2016. Wir möchten aber festhalten: Wer Geld ausgibt muss auch
nach zusätzlichen Geldeinnahmequellen suchen.
Der
Haushalt sieht darüber hinaus eine Darlehensaufnahme i.H.v. 2 Mio. € vor,
zunächst
derzeit günstig, allerdings mit einem mittelfristig sicherlich verbundenem
Risiko.
Neben
kleineren Maßnahmen tragen wir mit
·
die
Erweiterungen und Sanierungen in der Hardt- und der Realschule
·
Wir
bedauern das Scheitern der Erschließung des Wohngebietes im Süden infolge egoistischer
Einzelinteressen sehr, setzen aber auf hoffentlich baldige Schaffung einer
Versorgungsstruktur (Märkte) im Süden
·
die
Planungen für das neue Feuerwehrgerätehaus im Tiefgestade. Hier begrüßen wir
außerordentlich, dass die beiden Feuerwehren in Durmersheim und Würmersheim die
Fusion der Wehren beschlossen haben und nun in die Umsetzung dieser Fusion
gehen werden
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die
Entwicklung einer "Ortsmitte" um die Hildaschule
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die
Sanierung des Jugendzentrums
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die
Gestaltung des Zentrumsplatzes in TG III
·
die
Sanierung der Kanäle
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das
bereits seit längerem beschlossene Beschilderungssystem
·
Wir
tragen mit auch die Übernahme der doch erheblichen Kosten der Bunkerbeseitigung
in Würmersheim. Allerdings sei der Hinweis erlaubt, dass hier trotz der uns
bekannten rechtlichen Situation nach
unserer Auffassung der Bund in der Verantwortung stehen müsste, handelt es sich
doch eindeutig um Kriegsfolgelasten. Wir werden hier entsprechend am Ball
bleiben.
Ein
wichtiges und auch wegweisendes Projekt, das wurde uns ja auch von Bundesbauministerin Barbara Hendricks bei ihrem Besuch in Durmersheim
bestätigt, ist der nachhaltige Bau unserer Flüchtlingsunterbringung, wobei wir,
ich darf nochmal daran erinnern, einen mehr innerörtlichen Standort bevorzugt
hätten.
Aber wir
tragen den Standort mit und sind froh, dass wir in Durmersheim nicht der
Containerseuche unterlegen sind, sondern ein vernünftiges Gebäude realisieren
können, das auch eine mögliche spätere Folgenutzung im sozialen Wohnungsbau
ermöglicht.
Unser
Dank gilt hier auch unserem ehrenamtlich tätigen Architekten Bernard Schorpp.
Auch sein Engagement in dieser Sache ist beachtlich und aller Ehren und unseren
Dank wert.
Wir
greifen mit unserem Haushalt durch Einsatz entsprechender
Verpflichtungsermächtigen auch dem Haushalt 2017 massiv vor, die Weichen sind
gestellt auf den Bau eines weiteren Flüchtlingswohnheimes, die Sanierung der
Hauptstraße im südlichen Bauabschnitt III und einen Marktplatz als Zentrum
Durmersheims an der Hildaschule.
Dabei
handelt es sich um auch jetzt schon zutreffbare Entscheidungen; sollten die
Flüchtlingszahlen tatsächlich weiterhin zurückgehen und der Bau eines weiteren
Wohnheimes verzichtbar werden, werden wir für die Verwendung dieses
Finanzierungsanteiles im Bereich des sozialen Wohnungsbaus im Rahmen der
genannten innerörtlichen Verdichtungsmaßnahmen eintreten.
Maßnahmen
auf unserer Agenda:
·
Bereits
Ende des Jahres werden wir durch entsprechende Maßnahmen der Telekom eine
deutlich verbesserte Breitbandversorgung in Durmersheim und Würmersheim haben
·
Schaffung
Industrie-, Gewerbegebiet Ost: Planungsrate mit unserer Initiative eingestellt.
Ein Blick in die Nachbargemeinden, z.B. Ötigheim oder Mörsch zeigt, dass wir
hier sehen müssen, dass wir nicht ins Hintertreffen geraten.
·
TG
IV, Finanzierung außerhalb des Haushaltes
·
Bahnhof
und Bahnhofsumfeld: Ein erstes und wichtiges Ziel, nämlich die Beseitigung
eines richtigen Schandflecks, wird nach
Abschluss der dortigen Baumaßnahme erreicht, weitere Ideen seitens Verwaltung
und Gemeinderat über das Gelände sind im Entstehen.
·
Innerörtliche
Verdichtung zur Schonung der Landressourcen ist anzugehen
·
Kulturhaus
Ziel: Neubau in zentraler Lage zwischen den Ortsteilen Durmersheim und
Würmersheim, d.h. im Tiefgestade nach
Maßgabe der vorliegenden Bedarfsanforderungen.
Finanzierung:
Vermeidung
von erheblichen Erweiterungs-, Erneuerungsinvestitionen an den vorhandenen
Objekten Gemeindezentrum Würmersheim,
Altes Kino Durmersheim, Pfarrzentren Durmersheim, schulische Veranstaltungsorte;
allenfalls die absolut erforderlichen Instandhaltungsmaßnahmen zur Sicherung
des Betriebs der Objekte
Finanzierung
des Neubaus eines solchen Objektes durch Rücklagenbildung in den nächsten 4 - 6
Jahren
Nach
Verfügbarkeit des neuen Objektes bei Wegfall der Nutzung durch das neue Objekt
Vermarktung der vorhandenen Altobjekte. Oder:
Wenn
ein Neubau realisiert ist und dadurch bei bestehenden Alt-Einrichtungen der
Nutzungsbedarf sinkt, darf das Thema
"Vermarktung von Alt-Objekten" kein Tabu sein.
Die
Positionen auf der Agenda sind uns wichtige Notwendigkeiten. Aber wir werden nicht
alles in Angriff nehmen können. Wir müssen Prioritäten setzen und wir müssen
mit dem Geld, welches wir haben, sehr achtsam und daher planvoll umgehen.
Aber
Achtung: Unsere Verschuldung, auf deren niedrige Höhe wir in der Vergangenheit
immer mit Stolz hingewiesen haben, steigt im Haushaltsjahr 2016 von 3,457 Mio.
auf 5,169 Mio. € und damit die Pro-Kopf-Verschuldung von 282 auf 422 €.
Schauen
wir mal, was die Kommunalaufsicht zum Haushalt sagt und warten das in aller
Ruhe und Demut ab.
Wie
sagte der Physiker Niels Bohr: "Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die
Zukunft betreffen." Und da hatte er wohl recht!
Aber recht hat auch Johannes Rau, der sagte: "Die Zukunft ist offen. Sie ist kein
unentrinnbares Schicksal und kein Vermächtnis. Sie kommt nicht einfach über
uns. Wir können sie gestalten mit dem, was wir tun und mit dem, was wir nicht
tun."
Viele
Menschen in Durmersheim und Würmersheim arbeiten an der Zukunft unseres
Gemeinwesens indem sie sich in Parteien, Gewerkschaften, Kirchen, Feuerwehr,
Rotes Kreuz, Flüchtlingshilfe und Vereinen engagieren.
Ich
möchte mich stellvertretend für all diese Menschen bei Karla Kränzlein
bedanken, die sich nicht nur in der evangelischen Kirche, sondern auch im
Arbeitskreis Flüchtlingshilfe Durmersheim in außerordentlichem Maß einbringt. Leider wird sie uns berufsbedingt
verlassen, wir wünschen ihr auch hier und heute alles, alles Gute für ihren
weiteren Lebensweg!
Ehrenamtliches
Engagement ist der Kitt unseres Zusammenlebens. Wir bedanken uns bei allen
Ehrenamtlichen, wünschen Ihnen bei Ihrem Engagement auch Freude.
Durmersheim
mit dem Ortsteil Würmersheim voranbringen - sozial, pragmatisch und demokratisch. Das ist unser
Anspruch, weil Durmersheim mit Würmersheim weiterhin ein zukunftsfähiger und
wirtschaftlich handlungsfähiger Wohn- und Arbeitsstandort sein soll.
Wir
bedanken uns als SPD-Fraktion bei den Gemeinderatskolleginnen und -kollegen,
bei Ihnen, Herr Bürgermeister Augustin und Ihren Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern für die stets gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit.
Herrn
Franzen und seinem Team danken wir für die gewohnt sehr gute und verständliche
Vorbereitung des Haushaltsplanentwurfs und die geduldige Beantwortung aller
unserer Fragen.
Danken
möchten wir aber auch allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Gemeinde für
ihr immer großes Engagement, das sie für unsere Bürgerinnen und Bürger in den
vergangenen Jahren bei allen Anlässen eingebracht haben.
Die
SPD-Fraktion stimmt dem Haushalt 2016 zu.
Unsere Zustimmung erstreckt sich auch auf den
Eigenbetrieb Wasserversorgung.
Herzlichen
Dank für Ihre Aufmerksamkeit!